Sekundärdaten
Abbildung der Versorgungsrealität
Ein großer Vorteil von Krankenkassendaten ist die objektive Darstellung des realen sektorenübergreifenden Versorgungsgeschehens. Die Patienten können über längere Zeiträume in ihrer ambulanten und stationären Betreuung beobachtet werden und die Einlösung von Rezepten ist auf den Tag genau identifizierbar. Ergebnisverzerrungen, z.B. durch Selektions- oder Befragungs-Bias, können weitestgehend ausgeschlossen werden.
Typische Studienziele in diesem Forschungsbereich sind die Identifikation von Über-, Unter- oder Fehlversorgung, die Überprüfung leitliniengerechter Therapie oder die Beschreibung der Behandlung spezifischer Krankheitsbilder oder Patientengruppen.
Die leitliniengerechte Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) mit oraler Antikoagulation (OAK) war Ziel einer großen IPAM-Studie, u.a. mit Sekundärdaten der AOK Plus und der TK. Die Risikoeinteilung der Versicherten erfolgte auf Basis des CHADS2-, bzw. CHA2DS2-VASc-Scores. Potentielle Kontraindikationen wurden in zwei unterschiedlichen Szenarien definiert. Insgesamt schlossen wir 183.448 VHF-Patienten in die Analyse ein. An 40,5% - 48,7% der beobachteten Patiententage in 2008 konnten wir keinen antithrombotischen Schutz durch OAK oder andere Antithrombotika feststellen, obwohl ein Bedarf zur Antikoagulation existierte. Die multivariate Schätzung hat ergeben, dass ältere weibliche Patienten mit hoher Komorbidität ein höheres Risiko für die OAK-Unterversorgung aufweisen. In einer Multilevel-Poisson-Schätzung haben wir nachgewiesen, dass die OAK-Gabe die Schlaganfallrate um fast 80% reduziert. Die OAK-Unterversorgung scheint in Deutschland ein verbreitetes Problem zu sein, obwohl sie mit schweren negativen klinischen Konsequenzen verbunden ist.